Tage der Gegensätze
Die drei Maturaklassen besuchten die Gedenkstätten Hartheim und Mauthausen.
An einem verschneiten, matschigen Montagvormittag Ende Oktober trafen wir, die achten Klassen des BRG Imst, uns, um uns gemeinsam auf den Weg Richtung Oberösterreich zu machen. Das trübe Wetter passte perfekt zum Anlass unserer Reise – ein paar Stunden später würden wir uns nämlich schon im Inneren von Schloss Hartheim befinden, in dem während der NS-Zeit mehr als 30.000 Behinderte umgebracht wurden. Außerdem würden wir am darauffolgenden Tag das Konzentrationslager Mauthausen besichtigen.
Aber eins nach dem anderen. Während der 5-stündigen Fahrt hätte unsere Stimmung nicht ausgelassener sein können – auch die der Begleitlehrer Frau Prof. Leiter, Herr Prof. Ortner und Herr Prof. Waltner. Das änderte sich jedoch schlagartig, als wir mit dem Bus in die Nähe des Schlosses gelangten - grauer Himmel und menschenleere Dörfer. Sofort waren wir nicht mehr die 17, 18-Jährigen, die rumalberten und sich mit Chips bewarfen, sondern ernste Schüler, kurz vor der Matura, denen durchaus bewusst war, was da gleich in der ehemaligen Euthanasieanstalt auf sie zukommen würde. Die Erzählungen unseres Guides über das skrupellosen „Personal“ dieser Anstalt, über die fließbandähnliche Herangehensweise bei der Tötung unschuldiger behinderter Kinder, Frauen und Männer durch Vergasung und über die schlussendliche Verschleierung all dessen, was dort während der NS-Zeit passierte, übertrafen samt und sonders unserer Vorstellungen und ließen uns schaudern. Fragen standen im Raum: Warum? Warum hat niemand „Nein“ gesagt? Fragen, auf die so schnell keiner eine Antwort weiß. Auch die Räume selbst – der Ankunftsbereich, wo sich täglich hunderte Menschen einfanden, die dachten, dies sei nur ein weiterer Ort, an dem ihnen geholfen wird und an dem sie gepflegt werden, der Duschraum, eigentlich die Gaskammer, und das Krematorium – sprachen Bände. Niemand sagte es, aber jeder war froh, als er wieder im Bus saß, um nach Linz zur Herberge zu gelangen. Diesmal war es ruhig. Jeder schien in sich gekehrt und betroffen – eine übliche Reaktion auf das gerade eben Erlebte.
Die Herberge lag zentral. Nach gut zwei Stunden, in denen wir Zeit hatten, uns frisch zu machen, zu schlafen und uns häuslich einzurichten, machten wir uns auf den Weg zur Straßenbahn.
40 Schüler + ein Ticketschalter = purer Stress, Hektik und Gedränge!
Irgendwann hatte es aber doch jeder geschafft, in der Innenstadt anzukommen, und so machten wir uns in den üblichen Grüppchen auf den Weg, um etwas Essbares zu finden. Viel bleibt mir zu diesem Abend nicht zu sagen. Außer vielleicht, dass ihr euch sicher sein könnt, dass wir unseren Spaß hatten!
Wir konnten ja schließlich ausschlafen, denn erst um 8. 30 Uhr trafen wir uns beim Frühstück wieder. Eine himmlische Zeit, vor allem, wenn man bedenkt, dass alle anderen Schüler daheim schon die erste Unterrichtsstunde hinter sich haben mussten.
Aber genug der Schwelgerei, denn das aus meiner Sicht Schlimmste stand uns noch bevor – der Besuch der Gedenkstätte Mauthausen. Wie schon am Tag zuvor bewahrheiteten sich unsere Befürchtungen und wurden durch die schauerlichen Erzählungen unserer Guides Kasimir (an dieser Stelle muss einfach erwähnt werden, dass wir allesamt begeistert von ihm und seiner Art, uns die Dinge näher zu bringen, waren) über Schwimmbäder zur Entspannung für die SS, über sonntägliche Fußballspiele vor dem Lager, über die unvorstellbare Tatsache, dass es Häftlinge selbst waren, die das KZ verwalteten, und natürlich über den unmenschlichen Umgang mit Menschen verschiedenster Herkunft, die Familie, Träume und Ziele hatten, aber dennoch im Lager den bitteren Tod fanden, indem sie erschossen oder gefoltert wurden, verhungerten, erfroren oder der harten Arbeit im Steinbruch nicht mehr gewachsen waren. Dies war nämlich der Grundsatz dieses Lagers - „Vernichtung durch Arbeit“.
Jeder Stein, den wir bei unserer Führung berührten, und jeder Schritt, den wir machten, erinnerte uns daran, dass hier noch vor einigen Jahrzehnten Menschen gefangen waren, die tagtäglich ums Überleben kämpften, welches ihnen dennoch fast immer versagt blieb.
Auch hier waren wir über das Ende der Führung fro, weil die Gedanken an das damals Geschehene beinahe unerträglich waren. Der Besuch bei McDonalds stellte einen krassen Gegensatz dazu dar (… und ich bin mir immer noch sicher, dass die Lehrer von der aufmunternden Wirkung dieses wohlbekannten Ortes Bescheid wussten!).
Die 5-stündige Rückfahrt verlief zwar „müder“ als die Hinfahrt, aber dennoch waren wir wieder ganz die Alten. Vor allem, als wir pünktlich um 18 Uhr in Imst ankamen, wo uns unsere Eltern schon sehnsüchtig erwarteten.
Zusammenfassend bleibt zu sagen: Danke an die Lehrer, die uns begleitet haben und mit denen wir, trotz der traurigen Geschichten, die wir hörten, und der zweifelsohne grausamen Orte, die wir besuchten, ganz viel Spaß hatten. Wenn wir Sie benoten müssten, dürften wir nur Einsen mit Sternchen verteilen!
Pauline Gamroth, 8B